Von den vielen bekannten wildlebenden Gänsearten sind einige in ihrem zukünftigen Fortbestand ernsthaft bedroht.
Als besonders bedrohte Art gilt die Zwerggans. Ihr Gesamtbestand ist innerhalb der letzten 25 Jahre von 100.000 Tieren auf 25.000 Tiere zurückgegangen. Ihr natürlicher Lebensraum und ihre Brutgebiete hatten sich früher von Nordskandinavien über den Ural bis nach Sibirien erstreckt. Heute gibt es im skandinavischen Raum kaum noch Brutpaare.
Obwohl sich die örtlichen Voraussetzungen kaum zu Ungunsten der Zwerggänse geändert haben, droht der Bestand aufgrund verbotswidriger Bejagung gänzlich ausgelöscht zu werden. Besonders ungünstig wirkt sich dabei die Tatsache aus, dass Gänse Zugvögel sind. Junggänse lernen von ihren Eltern, welche Flugrouten sie zu ihrem Winterquartier führen. Im Fall der meisten Zwerggänse führt die Flugstrecke über solche Gebiete in Osteuropa, in denen Jäger warten, die ohne Rücksicht auf Artenschutzabkommen und mögliche Folgen schießen.
Bedrohte Gänsearten in Europa und der Welt
Desinteresse am Tierschutz und existenzieller Druck, der Familie etwas Essbares nach Hause bringen zu müssen, führen dazu, das in jedem Winter weniger Zwerggänse im Winterquartier ankommen. Da die Zwerggans häufig mit anderen, jagbaren Gänsen gemeinsam in Formation fliegt und von den weniger bedrohten Gänsearten in der Luft kaum zu unterscheiden ist, wird sie auch in den Teilen Europas, in denen sich Jäger grundsätzlich an die Bestimmungen halten, abgeschossen.
Verwechslung ist bei bedrohten Gänsearten keine Seltenheit
Die Gefahr der Verwechslung in der Luft wird auch für die übrigen bedrohten Gänsearten zum existenzbedrohenden Problem. Auch für die Kurzschnabelgans, die Rothalsgans und die Ringelgans gilt, dass ihr Abschuss in Mitteleuropa häufig ohne Absicht geschieht. Die Dunkelziffer der von Jägern aufgrund einer Verwechslung mit zur Jagd freigegebenen Gänsearten getöteten Exemplare bedrohter Arten wird von Fachleuten als hoch eingeschätzt. Führende Naturschutzorganisationen bemängeln, dass bei der Festsetzung der Jagdzeiten in den Landesjagdzeitenverordnungen zu wenig an die Gefahr gedacht wird, während der Zeiten des Vogelzuges neben freigegebenen Arten auch unter Artenschutz stehende Tiere zu erlegen. Auch aufmerksame Jäger erkennen die artentypischen Merkmale, beispielsweise den gelben Augenring der Zwerggans, erst dann, wenn sie das Tier am Boden liegend ansehen. Wäre das Bejagen von wildlebenden Gänsen während der Zeit des Vogelzuges untersagt, wären derartige Probleme nicht mehr gegeben.
An der positiven Entwicklung der Nonnengans-Bestände lässt sich erkennen, dass die Bemühungen um Artenschutz durchaus erfolgreich sein können. Die Nonnengans gehörte vor wenigen Jahren noch zu den bedrohten Arten.
Inzwischen hat sich der Bestand zahlenmäßig erhöht und es ist sogar eine neue Population in Nordeuropa entstanden. Die Nonnengans konnte damit von der Liste der bedrohten Arten gestrichen werden.